spacer
home


die andere seite der   home

akut | tagebuch | forum | archiv | kontakt


RSS Feed | auf twitter folgen news auf twitter folgen
 
 

In Osttirol wie im Ötztal: Widerstand setzt sich durch!

Der ruhmreiche Kampf um das Dorfertal in den 70er und 80er Jahren ist ein Lehrbeispiel dafür, wie die betroffene Bevölkerung die Pläne einer mächtigen E-Wirtschaft durchkreuzen kann. Dr. Wolfgang Retter war mit vielen anderen Aktivisten Teil dieses Widerstands gegen das seinerzeitige Gigakraftwerksprojekt in Osttirol. Auf deren reiche Erfahrungen mit TIWAG, Verbund und Landespolitikern kann man heute im Ötztal aufbauen. Um einige Aspekte jener Auseinandersetzung geht es auch im folgenden Gespräch.

Frage: Glauben Sie, dass die Ötztalerinnen und Ötztaler - so wie die Osttirolerinnen und Osttiroler seinerzeit - diesen Kampf gegen die unersättliche E-Wirtschaft gewinnen können?
W. Retter: Durchaus! Allerdings werden Zähigkeit und Unbestechlichkeit nötig sein – wobei die Vorstellung hilfreich ist, dass man Unumkehrbares verhindert. Energie kann sparsam verwendet und auch anderweitig erzeugt werden - unsere Täler aber wachsen nicht nach.
Frage: Wovor müssen sich Ihrer Meinung nach die Ötztaler besonders in acht nehmen?
W. Retter: Vor süßen Versprechungen von Politikern und Stromkonzernmanagern, die dann in keiner Weise einklagbar sein werden.
Frage: An welche Tricks der E-Wirtschaft zur Durchsetzung ihrer Pläne können Sie sich erinnern?
W. Retter: Das Übliche: Wunschkataloge über Zuwendungen, Erschließungen etc. werden freundlich entgegengenommen. Bei deren Verfassern macht sich die Hoffnung und schließlich geradezu die Gewissheit breit, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen werden. Das ist ja auch ein geeignetes Mittel, um gegen Naturschützer zu mobilisieren, die mit ihrem Widerstand gegen die Kraftwerksprojekte eine Erfüllung dieser Wünsche verhindern könnten.
Frage: Es gibt ja auch bei manchen die Vorstellung, mit so einem Bau würden Dauerarbeitsplätze geschaffen.
W. Retter (lacht): Der einzige Speicher, der für Dauerarbeitsplätze gesorgt hat, ist die undichte Kölnbreinsperre im Maltatal. Dort musste man ja nach jahrelangen Sanierungsversuchen eine zweite Mauer als Stütze dazubauen.
Frage: Hat man versucht, Sie auch persönlich fertig zu machen?
W. Retter: „Auch Sie wird man einmal zur Rechenschaft ziehen für das, was Sie hier den Leuten erzählen“ hat zu mir, einem jungen Lehrer damals, im Sommer 1973 in der Pause einer Diskussionsveranstaltung ein führender Mann der E-Wirtschaft gesagt, nachdem er sich vorsichtig umgeschaut hatte, ob ihn wohl sonst niemand hören könnte.
Das war ganz zu Beginn der vieljährigen Auseinandersetzung um das Großkraftwerksprojekt. Nach der Gründung eines Schutzvereines und mit zunehmender Bekanntheit gab es kaum mehr solche unmittelbaren Einschüchterungsversuche, sondern mehr indirekte Attacken.
So tauchten über mich persönlich verschiedenste Gerüchte auf:
Ich besäße eine Großvilla in Gunstlage oberhalb von Lienz, die inklusive eingebautem Hallenbad elektrisch beheizt sei, obwohl sich jeder laut Telefonbuch und per Ortsaugenschein überzeugen hätte können, dass ich eine einfache Dienstwohnung neben der Schule hatte. Oder: Ghadaffi bezahle uns Umweltschützer dafür, dass wir mit unserem Widerstand gegen die Wasserkraft für einen besseren Absatz seines Erdöls sorgten usw.
Frage: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Unterstützung durch die lokalen Politiker gemacht?
W. Retter: Mit manchen gute, mit vielen weniger gute: sie hängen ja oft in ihrer politischen Existenz vom Wohlwollen ihrer Obertanen ab. Oder glauben dies zumindest.
Frage: Haben manche Sie auch positiv überrascht in der langen Zeit des Kampfes?
W. Retter: Ja, verschiedene Politiker - aus allen politischen Parteien -, mit denen man über sonstige ideologische Grenzen hinweg Sachthemen diskutieren konnte.
Frage: Sehen Sie Widerstand als sinnvoll an?
W. Retter: Unbedingt! Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass man als „nützlicher Idiot“ missbraucht wird, d.h., dass durch den Widerstand z.B. Ablösegelder oder sonstige Zusagen der Projektwerber höher ausfallen als sonst. Mit diesem Problem muss man leben können.
Frage: Was können die Menschen, die diese Zerstörung ihres Lebensraumes ablehnen, der sündteuren, allgegenwärtigen Propaganda der TIWAG entgegensetzen?
W. Retter: Ihre Überzeugung, dass sie sich für ihren eigenen Lebensraum einsetzen, der zu schade ist, um für Geschäftemacherei missbraucht zu werden. Wichtig sind sicher auch ständige Hinweise auf andere, nachhaltige Möglichkeiten: heimische Biomasse z.B., die speicherbar ist, und dauernde regionale Wertschöpfung bringt.
Frage: Und was sagt man auf den Vorhalt, dass wir mehr Strom brauchen?
W. Retter: Wenn der Stöpsel der Badewanne undicht ist, wird man nicht zuerst einen größeren Boiler kaufen. Die E-Wirtschaft will uns das aber einreden.
Frage: Wie ist Ihrer Meinung nach der große unentschiedene Teil der Bevölkerung zu überzeugen?
W. Retter: Wahrscheinlich werden sich nicht alle Leute überzeugen lassen, weil gar nicht so wenigen Mitbürgern die Geschehnisse im Lande gleichgültig sind, solange ihre persönlichen Interessen nicht berührt werden. Es genügt aber sicher ein gewisser Prozentsatz überzeugter Mitbürger, um Einfluss zu nehmen. Auch die Betreiber sind ja nur ganz wenige!
Frage: Wie hat euer Kampf Ihre persönliche Einstellung gegenüber den Politikern verändert?
W. Retter: Man merkt mit zunehmendem Blick hinter die Kulissen und Fassaden, wie unbedarft viele Mandatare sind, wie wenig sie von jenen Problemen wissen und verstehen, zu denen sie Entscheidungen zu treffen haben.

Dr. Wolfgang Retter ist inzwischen pensionierter Gymnasiallehrer und lebt in Lienz.

          DRUCKEN       WEITERSAGEN       
     

 

Alle Akut-Artikel

startseite | inhaltsverzeichnis | impressum